Die Berufsunfähigkeitsversicherung gilt als eine der wichtigen Absicherungen, um sich gegen gesundheitliche Risiken und deren finanzielle Auswirkungen zu schützen. In der Praxis kommt es aber immer wieder vor, dass die Versicherungen einen Antragsteller ablehnen. Wie geht es danach weiter? Sehr oft ist dann zu hören, die Grundfähigkeitsversicherung als Alternative abzuschließen. Kann sie aber pauschal mit dem Schutz der BU-Versicherung mithalten?
Laut dem Gesamtverband der deutschen Versicherer kommt es nur in drei Prozent der Anträge auf Versicherungsschutz für eine BU zu einer Ablehnung. Aber: Ohne Vorbehalt werden nur knapp 80 Prozent der Anträge von den Versicherungen angenommen. Viele Verträge werden überarbeitet und den Antragstellern mit Ausschlüssen und Risikozuschlägen angeboten. Kann die Grundfähigkeitsversicherung hier eine Lücke schließen und zur Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung werden?
Wichtige Fakten im Überblick:
- Grundfähigkeiten gehen durch Krankheit oder Unfall verloren
- Keine identische Deckung im Vergleich zur Berufsunfähigkeitsversicherung
- Gesundheitsprüfung bei vielen Versicherungen
- Verlust der Fähigkeiten über spezielle Kataloge
- Vorerkrankungen können auch hier zu einem Problem werden
Inhaltsverzeichnis
- 1 1. Grundfähigkeitsversicherung oder BU-Versicherung?
- 2 2. Grundfähigkeitsversicherung: Was ist versichert?
- 3 3. Warum ist die Grundfähigkeitsversicherung kein Ersatz zur BU-Versicherung
- 4 4. Was ist für die Auswahl des Tarifs besonders wichtig?
- 5 5. Alternativen zur Grundfähigkeitsversicherung
- 6 Die wichtigsten Fragen & Antworten zum Thema
1. Grundfähigkeitsversicherung oder BU-Versicherung?
Wie wahrscheinlich ist es, im Arbeitsleben mit Berufsunfähigkeit konfrontiert zu werden? Offiziellen Zahlen zufolge, auf welche sich auch der GDV (Gesamtverband der Versicherungen) beruft, muss jeder vierte Erwerbstätige in seinem Leben damit rechnen. Über das individuelle Risiko sagt dies natürlich nichts aus. Und berufsunfähig bedeutet auch nicht, dass überhaupt keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt werden kann. Einfaches Beispiel: Ein Bäcker, der eine Mehlstaub-Allergie entwickelt, kann den Job wechseln.
Verbraucher, die weniger als sechs Stunden täglich irgendeiner Tätigkeit nachgehen können, gelten als teilweise erwerbsgemindert. Ursache können sein:
- Unfälle
- Krankheiten
- Psychische Erkrankungen
Oft geht es um die Einschränkung der Mobilität oder Verständigung. Finanziell sind die Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ein Schock. Sind doch nicht nur die Menschen selbst betroffen, sondern auch deren Familien. Finanzielle Verpflichtungen laufen weiter, das Einkommen verringert sich aber deutlich. Ein Ausweg: Der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Berufsunfähigkeitsversicherung lehnt Antrag ab
In der BU-Versicherung wird als Leistung eine Geldrente versichert. Tritt der Fall ein, dass die Berufsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, zahlt die Versicherung den Rentenbetrag. Aber: Bevor der Versicherer einen Antrag auch wirklich annimmt, sind Gesundheitsfragen zu beantworten. Diese erstrecken sich auf einen Zeitraum zwischen drei Jahren bis 10 Jahren und prüfen Faktoren, welche den Eintritt des Leistungsfalls wahrscheinlicher machen.
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist immer noch eine Risikoversicherung – für welche der Leistungsfall ein erhebliches finanzielles Risiko darstellt. Einige Diagnosen, wie HIV oder Multiple Sklerose, sind als Vorerkrankung der Grund, warum Versicherungen den Antrag ablehnen. Zwar ist dieser Fall eher selten. Laut GDV wird ein einstelliger Prozentsatz der Anträge abgelehnt. Für den Antragsteller, der seine Familie absichern will, ist das Ganze aber ein Schock.
Gibt es eine Alternative zur BU-Versicherung? Oder sind Betroffene finanziell dem Schicksal ausgeliefert? Wer sich für einen umfassenden Versicherungsschutz interessiert, kann trotz Ablehnung nach Alternativen suchen – etwa die Grundfähigkeitsversicherung.
2. Grundfähigkeitsversicherung: Was ist versichert?
Der Begriff Grundfähigkeitsversicherung wirkt etwas sperrig. Allerdings steckt hier bereits ein sehr klarer Hinweis, worin die Versicherung ihre Kernaufgabe sieht: Es geht darum, gewisse Fähigkeiten – die Grundfertigkeiten des Alltags – abzusichern. Wie in der Berufsunfähigkeitsversicherung wird auch hier eine Rente gezahlt. Als Leistungsfall definiert die Versicherung den Verlust einiger – über den Grundfähigkeiten-Katalog festgelegte – Fertigkeiten und Fähigkeiten, die im Alltag eine besondere Rolle spielen.
Dazu gehören unter anderem:
- Gehen und Treppensteigen
- Stehen
- Sehen
- Sprechen und Hören usw.
Wann genau die Versicherung greift, steht in den Versicherungs- und Tarifbedingungen.
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Mehr Informationen3. Warum ist die Grundfähigkeitsversicherung kein Ersatz zur BU-Versicherung
Pauschal eine Grundfähigkeitsversicherung als Ersatz für die Berufsunfähigkeitsversicherung zu empfehlen, wäre falsch. Dagegen sprechen mehrere Gründe. Auf der einen Seite geht der Versicherungsschutz deutlich auseinander. In einer Berufsunfähigkeitsversicherung wird als Leistungsauslöser immer die Unfähigkeit zum Nachgehen eines bestimmten Berufs genannt. In der Grundfähigkeitsversicherung müssen einzelne Fähigkeiten teilweise oder komplett verlorengehen. Damit bieten die Grundfähigkeitsversicherungen eigentlich keinen ausreichenden Schutz gegen das Risiko Berufsunfähigkeit.
An dieser Stelle hat die Grundfähigkeitsversicherung eher Schnittmengen mit einer Unfallversicherung oder den Multi-Risk-Policen – auch, wenn sie auf Basis anderer Grundlagen kalkuliert wird. Worin der Unterschied in der Praxis liegt, lässt sich sehr exemplarisch über den Fähigkeitenkatalog zeigen – wenn es um die Erkrankung COPD geht.
Beispiel COPD in der BU-Versicherung und der Grundfähigkeitsversicherung
COPD ist eine chronische Atemwegserkrankung, die unter anderem mit Rauchen assoziiert ist. Betroffene merken zu Beginn wenig von der Krankheit – außer einer leichten Leistungseinschränkung. Später nehmen die Probleme zu. Das Treppensteigen fällt schwerer, es müssen Pausen gemacht werden. An Berufe mit einem höheren Anteil körperlicher Arbeit ist nicht mehr zu denken. Damit wäre der Versicherte berufsunfähig – wahrscheinlich sogar dauerhaft.
In den Fähigkeitenkatalogen der Grundfähigkeitsversicherung spielt COPD als Diagnose keine Rolle. Der Fähigkeitenkatalog 1 hat hier keinen Einfluss, da keine der dort genannten Fähigkeiten eingeschränkt ist. Im Fähigkeitenkatalog 2 (FK2) könnte der Anspruch aus dem Punkt Treppensteigen erfüllt sein. Das Problem: Für einen Leistungsauslöser müssen in FK2 jeweils zwei Grundfähigkeiten eingeschränkt sein – was zu einem Problem wird. Damit wäre eine Leistung mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Grundfähigkeitsversicherung auszuschließen.
Aus Sicht eines Versicherungsnehmers ist entscheidend, ob die Grundfähigkeitsversicherung jene Eigenschaften und Fähigkeiten absichert, die für den jeweiligen Beruf eine Rolle spielen. Was die Grundfähigkeitsversicherung und BU-Tarife deutlich voneinander unterscheidet, ist das Verweisungsrecht in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Hiermit kann die Gesellschaft auf die Ausübung eines anderen Berufs verweisen. Bei der Grundfähigkeitsversicherung gibt es diese Möglichkeit natürlich nicht. Liegt ein Verlust wichtiger Fähigkeiten vor und ist dieser nachgewiesen, zahlt der Versicherer die Leistung. Trotz dieser Tatsache bleibt die GF-Versicherung kein vollständiger Ersatz für die Berufsunfähigkeitsversicherung.
4. Was ist für die Auswahl des Tarifs besonders wichtig?
Mit der Grundfähigkeitsversicherung wird ein existenzielles Risiko versichert. In der Praxis muss es darum gehen, einen umfassenden Versicherungsschutz aufzubauen, der finanzielle Lücken schließt. Insofern müssen Versicherte nicht nur darauf achten, welche Grundfähigkeiten versichert werden. Einige Punkte spielen in der Entscheidung zur Grundfähigkeits-Versicherung eine besonders wichtige Rolle.
Definition des Leistungsfalls
Die Versicherung muss nur dann eine Zahlung leisten, wenn versicherte Grundfähigkeiten eingeschränkt sind. Aber: Es gibt allgemein keinen Standard, der für die GF-Versicherung bei den einzelnen Anbietern gilt. Ob Versicherte die monatliche Rente erhalten, hängt von der Definition des Verlustes der Fähigkeiten ab.
Hier unterscheiden sich die Versicherungen teilweise deutlich. Während in einem Tarif bereits der Verlust der Funktionsfähigkeit in einer Hand als Leistungsgrund gilt, wird bei einem anderen Versicherer die Leistung erst anerkannt, wenn auf beiden Seiten die Motorik erheblich gestört ist. Insofern kommt es darauf an, wie die Versicherung den Wegfall von Grundfähigkeiten definiert.
Die Rentenhöhe
Neben der Frage: „Wann zahlt die Grundfähigkeitsversicherung?“, spielt die Leistungshöhe eine wichtige Rolle. In diesem Punkt geht es um die monatliche Rente. Letztere wird von der Grundfähigkeitsversicherung gezahlt, sobald der Leistungsfall festgestellt wird. Versicherte müssen prüfen, ob die Rente aus dem Vertrag wirklich in der Lage ist, den finanziellen Bedarf zu decken. Wenn die BU-Versicherung als Alternative ausfällt, muss der Vertrag zur Absicherung der Grundfähigkeiten die alleinige Verantwortung tragen.
Beim Abschluss muss sich die versicherte Leistung nicht nur am Einkommen, sondern vor allem den tatsächlichen Bedarf orientieren. Es gibt zwar überall Faustformeln – wie drei Viertel des Nettoeinkommens. Diese haben aber eine Schwachstelle: Sie berücksichtigen nicht, dass es einen individuell sehr unterschiedlichen finanziellen Bedarf gibt.
Um die ideale Rentenhöhe herauszufinden, sollte eine Berechnung des tatsächlichen Bedarfs erfolgen. Welche Fixkosten hat der Versicherte? Wie hoch ist die Summe der tatsächlich zum Leben benötigten Kosten? Ist man bereit, seinen Lebensstandard etwas zu drosseln im Falle eines Grundfähigkeitsverlustes? Oder ist das durch den Verlust einer Grundfähigkeit sogar sehr wahrscheinlich notwendig?
Aber: Hier gibt es natürlich Optimierungsmöglichkeiten. Zu prüfen ist, welche Aufwendungen im Leistungsfall gestrichen werden können. Jeder Euro, der mehr als monatliche Rente in der Grundfähigkeitsversicherung gedeckt werden muss, kostet am Ende auch beim Beitrag deutlich mehr.
5. Alternativen zur Grundfähigkeitsversicherung
Bei den Versicherungen tauchen eine Reihe Alternativen auf. Das Benchmark ist immer noch die Berufsunfähigkeitsversicherung. Allerdings liegt die Messlatte beim Antrag hier noch einmal ein Stück weiter oben. Wer sich für eine Absicherung interessiert, aber das Risiko einer Ablehnung sieht, schaut sich unter anderem folgende Versicherungen an:
- Erwerbsunfähigkeitsversicherung: Greift ein, wenn keine Erwerbsfähigkeit (oder nur noch teilweise) mehr möglich ist. Gezahlt wird wie in der Grundfähigkeitsversicherung eine monatliche Rente. Allerdings gelten strenge Regeln, um die Leistung auch zu erhalten.
- Dread-Disease-Versicherung: Hier stehen einige besondere Erkrankungen im Mittelpunkt, die als besonders schwer gelten. Herzinfarkt, Krebs oder Schlaganfall lösen den Leistungsfall und damit die Zahlung der Versicherungsleistung aus.
Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Bei der Dread-Disease-Versicherung entsteht – da sie nur einige schwere Krankheiten absichert – eine Deckungslücke, der sich Versicherte bewusst sein müssen.
Die wichtigsten Fragen & Antworten zum Thema
Gerade in Familien wird Schutz besonders groß geschrieben. Es geht nicht nur um den Versicherten – das Familieneinkommen steht auf dem Spiel. Trotzdem muss niemand den Premium-Schutz zur einzigen Messlatte werden lassen. Der Grund: In den höheren Leistungsklassen wird mitunter eine Leistung kombiniert, die gar nicht zum Versicherten passt. Ein Handwerker kann für seine Grundfähigkeitsversicherung auf Elemente wie die Absicherung der Bildschirmarbeit in weiten Teilen verzichten. Alles andere macht die Grundfähigkeitsversicherungen teuer.
In diesem Zusammenhang gibt es keine pauschale Regelungen. Entscheidend sind immer die jeweils vorliegenden Versicherungsbedingungen und Bestimmungen zum Tarif. Gehen versicherte Grundfähigkeiten verloren, zahlt der Versicherer eine Rente. Diese wird auf das Konto des Versicherten überwiesen – bis zur Rente (oder darüber hinaus, wenn der Vertrag etwas entsprechendes sagt).
Auf der einen Seite gibt es das ärztliche Attest. Beim behandelnden Arzt wird in aller Regel dokumentiert, welche Diagnosen und Einschränkungen vorliegen. Auf der anderen Seite kann die Feststellung des Verlustes der Fähigkeiten auch durch die Begutachtung erfolgen. Hierfür arbeiten die privaten Versicherer mit einer Prüforganisation zusammen, die sich im Auftreten ähnlich wie der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherer) verhalten. Erst nach der eingehenden Begutachtung kann über den Verlust der Grundfähigkeiten entschieden werden.
Im Prinzip handelt es sich bei den psychischen Erkrankungen um keinen Verlust von Grundfähigkeiten. Daher lösen diese in den einfachen Basisschutz-Tarifen auch keinen Leistungsfall aus. Auf der anderen Seite sind in den letzten Jahren verschiedene Versicherungen dazu übergegangen, auch psychische Erkrankungen in der Grundfähigkeitsversicherung zu berücksichtigen. Es zahlt sich aus der Sicht der Versicherten aus, hier sehr genau hinzuschauen.
Die Pflicht zur Beitragszahlung entfällt, sobald ein Grundfähigkeitsverlust anerkannt wird. Die einzige Ausnahme: Es gibt Gesellschaften, bei denen können Geldleistungen in Form von Einmalzahlungen versichert werden, für die keine Befreiung von der Beitragszahlungspflicht greift.