Wer zum Arzt geht, setzt sich ins Wartezimmer und lässt sich behandeln. Ein Teil der Patienten geht mit einem mulmigen Gefühl zum Arzt. Der Grund ist nicht etwa die Angst vor der Diagnose. Einige Patienten haben keine Krankenversicherung. Dadurch entsteht ihnen ein erhebliches finanzielles Risiko. Wie kommt es überhaupt dazu, dass eine Krankenversicherung fehlt? Und viel wichtiger ist die Frage: Wie lässt sich dieser Zustand ändern?
In Deutschland gilt eigentlich eine Versicherungspflicht für die Krankenversicherung. Heißt: Jeder Deutsche braucht eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung oder PKV. In der Praxis gibt es immer noch rund 61.000 Menschen ohne diesen Schutz. Wie kommt es dazu und welche Konsequenzen ergeben sich im Notfall?
Kein Krankenversicherungsschutz – alle Fakten im Schnellcheck:
- Seit 2009 gilt die Versicherungspflicht
- Notfallbehandlung auch ohne Nachweis einer Versicherung
- Krankenkasse und PKV müssen ehemalige Versicherte aufnehmen
- Beitragsschulden werden rückwirkend begrenzt
Inhaltsverzeichnis
1. Grundprinzipien der Versicherungspflicht in Deutschland
Eigentlich ist es in Deutschland nicht möglich, ohne einen bestehenden Versicherungsschutz im Wartezimmer Platz zu nehmen. Hintergrund: Der Gesetzgeber hat Regeln erlassen, welche Bundesbürger den Abschluss einer Krankenversicherung verbindlich vorschreiben. Geregelt ist das Thema Krankenversicherung unter anderem über das Sozialgesetzbuch 5. Buch und das Versicherungsvertragsgesetz – kurz VVG.
So schreibt beispielsweise § 193 VVG in Abs. 3 vor, dass jede Person, die einen Wohnsitz in Deutschland hat, eine Krankenversicherung abschließen muss. Diese Versicherung hat alle Kosten, die aus einer ambulanten oder stationären Heilbehandlung entstehen, zu tragen. In den Tarifen dürfen Selbstbehalte vereinbart werden, die auf 5000 Euro pro Kalenderjahr begrenzt werden. Von dieser Pflicht sind Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen.
Darüber hinaus werden auch Personen, die einen Anspruch auf Beihilfe haben, von der Versicherungspflicht nach dem Versicherungsvertragsgesetz ausgenommen. Unterm Strich zielt das Gesetz in diesem Punkt darauf ab, Situationen ohne Krankenversicherung zu vermeiden. Warum ist § 193 Abs. 3 an dieser Stelle so wichtig?
GKV versus PKV
In Deutschland existieren zwei getrennte Systeme der Krankenversicherung. Einmal die GKV und auf der anderen Seite die private Krankenversicherung. Für die gesetzlichen Krankenkassen gilt eine Versicherungspflicht nach § 5 SGB V. Diese erfasst unter anderem:
- Angestellte und Arbeitnehmer
- Bezieher von Arbeitslosengeld
- Bezieher von Bürgergeld
- Landwirte sowie Künstler und Publizisten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz
- Rentner
- Studenten
Damit wird bereits ein hoher Bevölkerungsanteil in die gesetzliche Krankenversicherung eingeschlossen. Dass Familienmitglieder von Kassenpatienten einen kostengünstigen Schutz erhalten, realisiert die beitragsfreie Familienversicherung. Im genannten Personenkreis ist es eigentlich unmöglich, keine Krankenversicherung zu haben.
Auf der anderen Seite steht die PKV. Hier gibt es keine so strengen Vorgaben wie im SGB V. Wer in Deutschland seinen Wohnsitz hat und nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist, gilt als versicherungsfrei. Dazu gehören:
- Selbständige und Freiberufler (mit Ausnahmen)
- Angestellte mit Einkommen über der aktuellen JAEG
- Beamte und andere beihilfeberechtigte Personen
- Personen mit geringfügiger Beschäftigung
Allen vier Gruppen steht die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung oder der Abschluss eines Tarifs in der privaten Krankenversicherung offen.
Auf Antrag können sich bestimmte Personengruppen von der Krankenversicherungspflicht nach § 5 SGB V befreien lassen – etwa Beamte und Lehrer wegen einer Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze – oder Studenten. Innerhalb von drei Monaten nach Beginn der (theoretischen) Versicherungspflicht ist der Antrag zu stellen.
2. Keine Krankenversicherung – wie passiert so etwas?
Wenn das Netz der Krankenversicherung in Deutschland wirklich so engmaschig gestrickt ist – was muss passieren, damit Menschen ohne Krankenversicherung dastehen? Wie bereits erwähnt, ist davon ein vergleichsweise niedriger Anteil der Bevölkerung betroffen. Der Gesetzgeber hat nicht nur die Pflicht zum Abschluss einer Versicherung in der privaten Krankenversicherung oder einer Krankenkasse erlassen.
Es ist nicht so einfach, eine bestehende Krankenversicherung zu kündigen. Hintergrund: Sobald die Krankenkasse oder eine private Krankenversicherung beendet werden soll, muss dem Versicherer die Folgeversicherung nachgewiesen werden. Diese Pflicht ist in § 205 VVG niedergelegt. Fordert die private Krankenversicherung oder eine Krankenkasse zum Nachweis auf, bleiben zwei Monate. Innerhalb dieser Frist ist der Nachweis zu führen. Andernfalls gilt die Kündigung in jedem Fall als unwirksam. Keine Krankenversicherung wird einen Versicherten ohne die Folgepolice aus dem Vertrag entlassen.
Angesichts dieser Regelungen ist es rechtlich unmöglich, einen bestehenden Versicherungsschutz der Krankenversicherung zu verlieren. Dass es in Deutschland mehrere Zehntausend Menschen ohne Krankenversicherungsschutz gibt, hat mehrere Gründe.
- Kein Versicherungsschutz vor 2009: Die Versicherungspflicht wurde 2009 eingeführt. Personen, die zu diesem Zeitpunkt nicht in den Anspruch eines Versicherungsschutzes kamen, fielen oft durchs Raster. Betroffen waren davon unter anderem Selbstständige, die ihre Beiträge in der PKV nicht mehr zahlen konnten.
- Einreise ohne Krankenversicherung: Eine zweites Problem sind Einreisen ohne einen bestehenden Versicherungsschutz. Nehmen betroffene Menschen die Möglichkeiten zum Abschluss einer Krankenversicherung nicht wahr und werden auch nicht krankenversichert.
Eine besondere Schwierigkeit in der Erfassung von in der PKV oder GKV nicht versicherten Menschen ist gerade bei Obdachlosen ohne einen festen Wohnsitz schwierig.
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Mehr Informationen3. Was passiert ohne Krankenversicherung?
Menschen ohne Krankenversicherung treibt beim Arzt eine Sorge um: Kann ich mich behandeln lassen und wer bezahlt, wenn ich Leistungen in Anspruch genommen habe? Grundsätzlich gibt es für Personen ohne Mitgliedschaft in der PKV oder einer gesetzlichen Krankenkasse die Möglichkeit, Einrichtungen der solidarischen Gesundheitsversorgung aufzusuchen. Hier erfolgt eine Behandlung von Krankheiten auch ohne Versicherung. Dabei sind die Behandler zu Vertraulichkeit verpflichtet. Die Behandlungen erfolgen kostenfrei.
Natürlich sind auch Menschen ohne Schutz einer gesetzlichen Krankenversicherung oder PKV mit medizinischen Notfällen konfrontiert. Hier gilt in Deutschland der Grundsatz: Notfallversorgung findet unabhängig vom Versicherungsstatus einer Krankenkasse oder einer privaten Krankenversicherung statt. Ärzte und Krankenhäuser sind verpflichtet, Behandlungen in akuten Notfällen durchzuführen. Zum Problem werden die Kosten einer Versorgung. Diese kommen als Schulden zu den oft schon bestehenden Beitragsschulden hinzu.
4. Rückkehr in die Krankenversicherung
Zum Arzt wird von Menschen ohne Krankenversicherung aus Angst vor den Kosten nicht gegangen. Viele Betroffene hatten schon Beitragsschulden. Das Gefühl, noch mehr Schulden zu haben, belastet. Aber: Nach einer teuren Notfallversorgung ist dieser Schritt eigentlich alternativlos. Damit bietet sich sogar die Chance, zumindest aus den Behandlungen Schulden zu vermeiden.
Wer ist für Patienten zuständig? Grundsätzlich entscheiden zwei Punkte: Der frühere Versicherungsstatus oder der aktuell ausgeübte Beruf. Hintergrund: Hat bereits eine Krankenversicherung bestanden, ist diese normalerweise für die Wiederaufnahme verantwortlich. Kassenpatienten kehren in eine gesetzliche Krankenkasse zurück. Privatversicherte werden Mitglied der PKV – ohne, dass sie einfach abgelehnt werden können.
Sollte keine Krankenversicherung feststellbar sein, werden Betroffene normalerweise nach ihrem aktuellen beruflichen Status krankenversichert. Selbstständige ohne Krankenversicherungsschutz werden Privatversicherte. Arbeitnehmer werden automatisch Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung.
Was kostet die Wiederversicherung?
Die Angst vor hohen Beitragsschulden ist nicht unbegründet. Theoretisch müsste mit Entstehen der Krankenversicherungspflicht nachgezahlt werden. Heißt im Klartext: Wer als Kassenmitglied vor 2007 schon keine Krankenversicherung mehr besessen hat, zahlt ab 2007 Beiträge nach. In der Praxis kann an dieser Stelle Entwarnung gegeben werden. Ansprüche verjähren nach vier Jahren. Eine Krankenkasse kann daher nur bis zu vier Jahresbeiträge nachfordern.
In der PKV läuft die Berechnung der Beitragsnachzahlung anders ab. Hier wird ein Prämienzuschlag erhoben. Für die ersten fünf Monate ohne Versicherung wird der volle Monatsbeitrag berechnet. Anschließend findet eine Berechnung mit einem Sechstel des Monatsbeitrags statt. Heißt: Bei zwei Jahre ohne Krankenversicherung werden 8 1/6 Monatsbeiträge als „Strafzahlung“ fällig. Auch hier kann über einen Nachlass verhandelt werden. Können Patienten den Beitrag übrigens nicht zahlen, verlieren sie die Versicherung nicht etwa, es gibt einen privaten Notlagentarif.
Die wichtigsten Fragen & Antworten zum Thema
Ja, alle Menschen mit einem Wohnsitz in Deutschland benötigen eine Versicherung gegen Krankheitskosten. Kinder sind entweder im Rahmen der beitragsfreien Familienversicherung geschützt, werden freiwillig gesetzlich versichert oder sind Mitglieder der PKV. Die letzten beiden Szenarien sind bei nicht GKV-versicherten Elternteilen anzutreffen.
Ja, sobald sich Personen ohne Krankenversicherung in ein Krankenhaus oder zu einem Arzt begeben und eine akute Notfallsituation vorliegt, müssen Behandlungen erfolgen. Dies kann ein Knochenbruch oder beispielsweise eine akute Blindarmentzündung sein. Sobald Gefahr für die Gesundheit besteht, spielt auch die fehlende Krankenversicherung keine Rolle mehr. Eine Weigerung durch den Arzt oder das Krankenhaus wäre unter anderem im Sinne des § 323c StGB relevant. Eine Magenverkleinerung oder LASIK gehören hier natürlich nicht dazu.
Nein, grundsätzlich ist immer der Versicherungszweig relevant, bei dem zuletzt eine Krankenversicherung bestanden hat. Wer PKV Mitglied war, muss sich wieder an die privaten Versicherer wenden. Ehemalige Kassenpatienten suchen über die gesetzliche Krankenversicherung nach Hilfe.
Hierbei handelt es sich um ein per Gesetz eingeführtes Tarifmodell, welches die Absicherung für Patienten in finanziellen Notlagen sicherstellt. Der Beitrag liegt bei circa 100 Euro. Im Gegenzug wird die Verfügbarkeit von Leistungen deutlich eingeschränkt.
Zwar gilt der Grundsatz, dass ehemals privat Versicherte beim Wiedereintritt der PKV zugeordnet werden. Kommt es zum Wiedereintritt aber durch die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, ist der aktuelle berufliche Status zu berücksichtigen, es gilt dann § 5 SGB V – die Versicherungspflicht in der GKV.